Zur heutigen sowie zukünftigen Erhaltung und Weitergabe der Techniken des Katayama-ryu iai- kenjutsu.

Ōhen Hakkyoku 応変八極

Ohen Hakkyoku 応変八極 – Katayama-ryu’s Ihatsu (Kenjutsu) Kata –

Ohhen Als Ohen Hakkyoku werden die 9 Ihatsu (oder kenjutsu) Kata zusammengefasst, die mit bereits gezogenem Schwert beginnen. Das Zeichen ō bedeutet “reagieren“ oder “zustimmen“, hen bedeutet “Veränderung, Vorfall“ oder “Ärger“. Hakkyoku 八極 drückt das Konzept der 8 Richtungen im Sinne alter Chinesischer Denkweise aus. Ohen Hakkyoku 応変八極 bedeutet also so viel wie “in der Lage zu sein, auf Veränderungen aus jeder Richtung zu reagieren“. Auf dieser Seite werden Sätze wie „Ich denke…“ und ähnliche vorkommen. Das „Ich“ bezieht sich dabei auf das zweite Oberhaupt der Katayama-ryu, Katayama Hisataka (1626-1699), den Autoren des Heisō Jirinden.

「正ノ邪ニ変ジ福ノ禍ニ変ズルハ 朝ノ晩ニ変ジ昼ノ夜ニ変ズルガ如」 (Recht wird zu Unrecht und Glück zu Unglück, so wie sich der Morgen zum Abend oder der Tag zur Nacht wandelt.)

  Recht wird zu Unrecht und Glück zu Unglück, so wie sich der Morgen zum Abend oder der Tag zur Nacht wandelt. Wenn man den Morgen nicht kennt, kann man den Abend nicht kennen. Wer den Tag nicht kennt, kann die Nacht nicht verstehen. Jemand, der wie ein Kind den Lauf der Dinge nicht versteht, ist nicht dazu in der Lage, mit Veränderung umzugehen. Natürlich auf Veränderungen zu reagieren, bedeutet, morgens aufzustehen, tagsüber zu arbeiten, gegen Abend die Arbeit zu beenden und nachts zu schlafen. Wenn nichts endet, dann gibt es keine Veränderung. Der Winter endet und wird zum Frühling. Der Sommer endet und wird zum Herbst. Wenn etwas endet, bedeutet das, dass es seine Grenzen erreicht hat. Etwas Gutes wird zu etwas Schlechtem und etwas Schlechtes wird zu etwas Gutem. Das Ohen Hakkyoku erklärt dies durch den Wandel in allen Dingen und lehrt, wie man sich Veränderungen anpasst und mit ihnen umgeht. Mit verschiedenen Veränderungen gut umzugehen, ist einfach „sei“ (etwas Richtiges). Die Augen der Götter ruhen in jenen Momenten, wenn Mensch und Ding in Berührung kommen. Deswegen erscheint das Gute und Böse, das die Menschen im Inneren tragen, in ihren Augen (gan ). Die hier erklärten kenjutsu-Techniken sind dafür da, wenn der Mensch mit äußeren Kräften in Berührung kommt. Deswegen ist es wichtig, von Anfang an die Wichtigkeit der Zeichen sei und gan zu kennen.

seinojiSeigan 正眼  Das Zeichen sei bedeutet “richtig“ oder “richtig machen“ und das Zeichen gan bedeutet “Augen“. Seigan 正眼 heißt also “die Dinge richtig zu sehen“ oder “eine richtige Wahrnehmung zu haben“. 「正ヲ眼トシタル義ヲ正眼トハ云ナリ」 (Die Lehre, Richtigkeit durch die Augen zu nutzen, wird Seigan genannt)

  Ich denke, dies heißt nicht, dass die eigene Wahrnehmung richtig wird, wenn man mit etwas in Berührung kommt. Es bedeutet eher, dass man die Richtigkeit, die einem immer zu eigen ist, nicht verlieren darf. Wenn die eigene Wahrnehmung immer korrekt ist, ist man dazu fähig, unmittelbar mit einer Situation umzugehen, sobald man sie erblickt. Es gibt keinen Grund, eine Situation genauer zu bedenken und sich zu verwirren. Dies nennt man Seigan.   Es wurde überliefert, dass die richtige Wahrnehmung von Seigan mit der Geschwindigkeit eines Blinzeln passiert, mit dem man Staub und Schmutz vom Auge fernhält. Der wichtigste Punkt ist, dass man zu jeder Zeit korrekt handeln muss, so wie die Sonne jeden Tag im Osten aufund im Westen untergeht. Sieht man sich dem angreifenden Schwert eines Gegners gegenüber, nimmt man es an, während man „die Rückseite des Schwertes entlang schabt“. Die korrekte Stellung, um einen Angriff so zu empfangen ist – vorausgesetzt der Gegner schneidet nichts als Luft und verfehlt den Körper – sich in einer tiefen Stellung nach vorn zu bewegen und den Winkel des eigenen Schwertes an der linken, herangezogenen Schulter auszurichten. Man nähert sich dem Gegner, während man seinen Angriff empfängt, und erlangt so den Sieg.

Garyū 臥龍  Das Zeichen ga bedeutet “sich niederlegen“ oder “ruhen“, das Zeichen ryu heißt “Drache.“ Garyu 臥龍 kann also als “der Drache, der sich zur Ruhe begibt“ übersetzt werden. 「納テ竟ニ発セズ之ヲ臥龍ト謂」 (Bereit gehalten zu werden, ohne letztendlich genutzt zu werden, ist das, was als Garyu bezeichnet wird.)

  Ich denke, dass sich ein Drache – einfach, weil er ein Drache ist – hinlegt und erst dann wieder bewegt, wenn es unvermeidlich ist. Ursprünglich beschränkte sich die Bewegung eines Drachen darauf, Wasser aus einem Sumpf zu trinken. Eine Wolke ist von Natur aus frei von eingrenzenden Gedanken und ein Drache frei von Verlangen. Es geht keine Gefahr von einem Drachen und einer Wolke aus, die sich gegenseitig tolerieren und in Einklang handeln. Diese Beziehung zwischen Wolke und Drache ist vergleichbar mit der eines Kriegers, der ein Schwert trägt. Mit der Ausnahme, dass ein Krieger sein Leben opfert um Unrecht zu bezwingen, sollte er von seinem Schwert bis zum Ende keinen gebrauchen machen. Das Schwert in seiner Scheide zu behalten und es unter keinerlei Umständen zu ziehen, wird als Garyu bezeichnet.   Mündlich wird Folgendes überliefert: Das Schwert in der Scheide stecken zu lassen und es bis zum Ende nicht zu ziehen, bedeutet, dass der Geist nicht schläft, während das Schwert ruht. Selbst wenn beispielsweise ein Gegner anwesend ist, gibt es keinen Grund, sich in einen Kampf zu verwickeln, solange er nicht selbst angreift. Ein Beispiel der Tugend des Drachen ist es, die Schwertkante nach unten zu richten, während man den Knauf zur linken Brustseite nach oben heranzieht. Dabei berühren sich Brust und Knauf beinahe und wenn sich der Feind nähert, scheint der Drache von Kopf bis Schwanz unaufmerksam, während er seine wahre Gestalt verbirgt. Wenn man einen gegnerischen Angriff annimmt und dabei seine Hände so ausstreckt, dass sich das Schwert vom Körper entfernt, wird man verlieren. Deswegen ist es wichtig, die Hände nah an den Körper zu ziehen, so dass der Knauf die linke Brust berührt, und das Schwert des Gegners mit der Rückseite der monouchi (die letzten Zentimeter am Ende des Schwertes, die hauptsächlich zum Schneiden genutzt werden) anzunehmen. Man senkt seinen Körper und stellt Distanz zwischen sich und der Klinge des gegnerischen Schwertes her. Der Kopf entgeht der Attacke und erwidert den gegnerischen Angriff mit dem Schwanz.

SaryuSaryū 左龍  Das Zeichen sa bedeutet “links“ oder “sich zu bewegen“ und ryu steht für “Drache“. Saryu 左龍 heißt also “ein Drache, der sich gezwungenermaßen bewegt“. 「剱トハ本奸邪ヲ防撿スルノ具ナリ」 (Das Schwert ist von Haus aus ein Werkzeug, um sich gegen Unrecht und Boshaftigkeit zu verteidigen.)

  Meines Erachtens nach hat sa die gleiche Aussprache wie sa , was allerdings “zu machen“ oder “zu bewegen“ bedeutet. In dieser Schule benutzen wir das Zeichen sa mit der Bedeutung “sich widerwillig aus Zwangsläufigkeit zu bewegen“. In alter Zeit schätzten Krieger das Rechte und missachteten das Linke. Der ursprüngliche Sinn des Schwertes ist, dass es als Werkzeug dienen soll, um vor Unrecht zu schützen. Es gibt nichts, was man gegen ein korruptes und ungerechtes Individuum tun kann. Doch selbst wenn es unvermeidlich war, jene unrechte Person zu bezwingen, verringerte eine solche Tat signifikant die Tugend des Täters. Wenn man das Schwert korrekt einsetzt, besteht keine Notwendigkeit, ein Individuum niederzustrecken. Dies bezeichnet man als Saryu.   Mündlich wird Folgendes überliefert: Vor langer Zeit wurden die Zeichen Saryu 差龍 benutzt. Es wurde gesagt, ryu sei das Verbergen der eigenen Gestalt sowie das Anpassen, sa währenddessen “eine kleine Unstimmigkeit“. Dies bedeutet, dass sich große Fehler ergeben können, wenn man im Geiste auch nur für einen kurzen Moment unachtsam oder unbekümmert ist. Die Technik Saryu wird eingesetzt, wenn man nicht zu Garyu zurückkehren kann. Man empfängt das gegnerischen Schwert an der rechten Hüfte und fährt in der Art eines sich frei bewegenden Drachen fort.

Koran 虎乱  Das Zeichen ko bedeutet “Tiger“, während ran für “in Chaos verfallen“ oder “überwältigen“ steht. Koran 虎乱 heißt also “der überwältigende Tiger“. 「虎ノ竹林ニ在テ以テ異獣ヲ防ギ獅牙牛角ノ具ヲ示サザル」 (Während sich der Tiger im dichten Bambusgewächs versteckt und sich gegen verschiedene Tiere verteidigt, zeigt er nicht wie ein Löwe seine Fänge oder wie ein Bulle seine Hörner.)

  Meiner Ansicht nach lebt der Tiger im Bambusdickicht und verteidigt sich gegen verschiedene andere Tiere. Dies ist gleichbedeutend damit, das Chaos zu unterwerfen (ran ). Die richtige Art und Weise, sich selbst vor einer törichten Person zu schützen, besteht darin, das Augenmerk auf die eigene Korrektheit zu richten und nicht durch Wachsamkeit Kontrolle auszuüben. Der Tiger im Bambuswald, der sich gegen andere Tiere verteidigt, ist ein gutes Beispiel dafür, seine Waffen nicht zu zeigen, so als würde ein Löwe seine Fänge nicht zeigen oder ein Ochse seine Hörner verbergen. Man entwickelt den Mut, der allen Tieren gemein ist, indem man bun (Wissen) nach außen hin zeigt und bu (oder budō  武道, kämpferisches Geschick) im Inneren verwahrt.   In den mündlichen Überlieferungen wird Folgendes gesagt: Eine Person, die bun nach außen zeigt und bu im Inneren hält, wird selbst inmitten großer Menschenmengen nicht gehasst und bleibt ruhig, wenn sie sich in eine solche begibt. Sie hat weder die Absicht, bereit zu sein und einen Gegner auf sich allein gestellt anzugreifen, noch die Selbstlosigkeit, einen Verbündeten zu hindern. Sie benutzt das Schwert nicht, um anzugreifen oder um zu verteidigen, sondern indem sie geschickt zuschlägt und siegt, während sie verteidigt, als ob ihr Schwert keine Scheide hätte. Bun nach außen und bu im Inneren zu tragen, bedeutet, dass man dazu fähig ist, unmittelbar zu reagieren und sich zu verteidigen. Die Regierung des eigenen Landes sollte genau so sein.

UhotsuUhotsu 右発  Das Zeichen u bedeutet „rechts“ oder „zu helfen“ und hotsu heißt „frei zu werden“ oder „abzugeben“. Uhotsu 右発 steht also dafür, „durch die Hilfe anderer zu bezwingen“. 「武ハ弋止ノ義何ゾ好テ以テ殺戮センヤ」 (Bu ist das Aufgeben von Gewalt. Man darf keinen Gefallen an der Schlacht finden.)

  Meines Erachtens nach ist die Bedeutung hiervon die eines Gefolgsmanns, der seinem Herrn dabei behilflich ist, Unrecht zu bezwingen. U hat die gleiche Bedeutung wie u (zu Hilfe kommen) und gilt als „Helfer der Götter“. Man sollte mit Güte handeln und selbst als Beispiel dafür dienen, indem man sich selbst darin übt und das Schwert an seiner Hüfte fest in seiner Scheide stecken lässt. Bu heißt, Gewalt aufzugeben und keine Neigung zum Töten zu verspüren. Wenn jemand zum richtigen Weg zurückkehrt, nachdem er eine falsche Handlung überdacht und aufgegeben hat, muss man ihm nur vergeben. Dies nennt man Uhotsu.   Mündlich wird Folgendes überliefert: ein Feind, der töricht ist und nicht einschätzen kann, was er nicht tun sollte, wird absolut nicht dazu in der Lage sein, ein Individuum anzugreifen, das in der Art von Seigan vollkommen vorbereitet ist und nicht einmal die kleinste Lücke in seiner Verteidigung zeigt. Eine solche Person ist, wer jenen vergibt, die versuchen zum richtigen Weg zurückzukehren. Wenn sich eine solche Person dennoch herannähert, so wird gesagt, dass man den Feind angreift und dabei dem wahren Weg der Himmel (d.h. der natürlichen Ordnung der Dinge) folgt. Wenn der Feind das gleiche Verständnis des Wegs der Himmel teilt, wird er schnell wieder zu einem friedlichen Zustand zurückkehren.

Sahotsu 左拂  Das Zeichen sa bedeutet “links“ oder “zu helfen“ und hotsu steht für “etwas abzuwehren oder zu vertreiben“. Sahotsu 左拂 heißt also “dabei zu helfen, etwas zu vertreiben“. 「罪ヲ殺テ人ヲ殺ズ太刀ヨリ打落スノ理ナリ」 (Der Grundsatz, dass ein Schwertstreich die Sünde und nicht den Sünder töten soll.)

  Ich denke, dies bedeutet, dass ein Gefolgsmann Anweisungen von oben erhält und schnell das Unvermeidliche erledigt, indem er einen boshaften Menschen los wird, während er Rechtschaffenheit achtet und den Tod auf die leichte Schulter nimmt. Sa bedeutet das gleiche wie sa (zu Hilfe kommen, retten). Ein ungerechter Mensch ist jener, der nicht versteht wie die Dinge ursprünglich sein sollten und deswegen falsch handelt. Es ist gut, solche Leute zu berichtigen, indem man ihnen vergibt und ihnen den richtigen Weg zeigt. Man darf keinen Gefallen am Töten finden. Dies nennt man Sahotsu.   Mündlich wird Folgendes überliefert: Es ist nicht leicht, jemanden zu korrigieren, der irrtümlich handelt. Das liegt daran, dass man auch selbst kleine Fehler hat. Man muss also schnell seine eigenen Fehler beheben und dann jene Person, die nicht dem richtigen Weg folgt, davon überzeugen, sich zu ändern, während man selbst mit gutem Beispiel vorangeht. In der Regel unterscheidet man bei der Rotation des Schwertes den Weg der Himmel und den Weg der Erde. Uhotsu ist der Weg der Himmel und das Schwert dreht sich in Richtung Nordosten, durch den Westen zum Südwesten. Sahotsu ist der Weg der Erde; das Schwert reht sich in Richtung Nordosten durch den Osten zum Südosten. Man gewinnt, indem man den Bewegungen des Feindes folgt. In dieser Technik tötet man die Sünde, verschont aber die Person. Der Gedanke ist, dass man die Sünde niederschlägt, indem man das gegnerische Schwert niederschlägt. Das heißt, man schlägt das Schwert nach unten, ohne den Gegner zu verletzen.

ShaSha 車  Das Zeichen sha bedeutet “Rad“ oder “etwas, das sich dreht“. Sha bedeutet“Ungerechtigkeit zu bezwingen, indem man dem Weg der Himmel folgt“. 「不正ノ勢ノ強ノ時ハ太刀ヲ身ニ添テ離ズ」 (Wenn man sich der starken Kraft unangemessenen Verhaltens gegenüber sieht, stütze man das Schwert so nah wie möglich gegen den eigenen Körper.)

  Meiner Ansicht nach drehen sich Wasserrad und Windrädchen nicht, weil sie auf die Kraft des Wassers oder Windes angewiesen sind, sondern weil sie diese Kraft angemessen kontrollieren. Ein Rad dreht sich erst dann wirklich gut, wenn es das volle Potential seiner Bewegung ausschöpfen kann. Dies ist vergleichbar damit, dass man sein eigenes Leben verlängern kann, wenn man dazu in der Lage ist, eine Situation richtig zu erfassen und sich zurück zu ziehen, wenn ein boshafter Mensch sich nähert, um einem Leid zuzufügen. Wie ein Rad, das sich aufgrund der Bewegungen von Wasser oder Wind dreht. Wenn man sein eigenes Leben verlängert, wird die Boshaftigkeit unterdrückt. Das sind die Himmel, die die Kontrolle über jene Boshaftigkeit nehmen. Im Einklang mit der Kraft der Himmel zu handeln, bedeutet also auch, Boshaftigkeit zu kontrollieren. Dies bezeichnet man als Sha.   Folgendes wird mündlich überliefert: Ist das Momentum der Ungerechtigkeit (in anderen Worten: des gegnerischen Angriffs) kraftvoll, so stütze man sein Schwert entlang des eigenen Körpers, ohne es vom Körper zu entfernen. Dann, wenn man die Situation richtig erfasst hat, wartet man auf den korrekten Zeitpunkt und entgeht dem gegnerischen Angriff. Anstatt darüber nachzudenken, wie man gewinnt, sollte man sich in eine vorteilhafte Position begeben und dabei unvorteilhafte Positionen vermeiden. Sha ist wie eine Schlachtordnung (in anderen Worten: ein Truppeneinsatz). Man sollte sich im Zentrum befinden und in alle Richtungen hin reagieren.

Kozan 甲山  Das Zeichen kō   bedeutet “Rüstung“ und das Zeichen san  (oder zan) steht für “Berg“. Kōzan  甲山 kann daher mit “wie eine Rüstung oder ein Berg“ übersetzt werden. 「身ヲ甲冑ノ堅ニ成シ心ハ泰山ノ安ニ置ク」 (Lasse den Körper hart wie eine Rüstung und den Geist ruhig wie der (Berg) Taizan werden.)

  Ich denke, das Zeichen kō  ist das gleiche Zeichen wie in Nashornkäfer (kabuto mushi  甲虫). San ist das san in sangaku 山岳 (Gebirge). Der Name leitet sich von der Schwerfälligkeit und der Entschlossenheit ab, die sich nur aus eigenem Antrieb bewegen. Auch ein Krieger muss über diese Schwerfälligkeit und Entschlossenheit verfügen. Der Panzer eines Nashornkäfers ist aus gutem Grund hart, wächst jedoch trotzdem weiter mit. Und obwohl sich in Berg nicht bewegt, kann er doch unter bestimmten Umständen sein Aussehen verändern. Es ist akzeptabel, wenn ein Krieger von militärischer Gewalt Gebrauch macht, sofern seine Handlungen mit dem Ideal übereinstimmen, sich letztendlich von Gewalt loszusagen, selbst wenn er dabei Personen von höherem oder niedrigerem Stand tötet. Es ist nicht notwendig, Maßnahmen zu unterlassen, nur um einem geringfügigen Verhaltensmaßstab gerecht zu werden. Dies bezeichnet mal als Kōzan.   Mündlich wurde Folgendes überliefert: Man muss es zu seiner Strategie machen, Ländereien ohne Zögern oder Zweifeln unter seine Kontrolle zu bringen, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet. Man muss sich so vorbereiten, dass der Körper hart wie eine Rüstung und der Geist ruhig wie der (Berg) Taishan (im Japanischen “Taizan“, ein Berg in China der als heiliger Ort gilt) ist. Von Alters her wird gesagt, dass man einen Angriff blockt oder annimmt, indem man seinen Körper innerhalb der Grenze seines Schwertes nach oben schraubt, sich also – ähnlich einer Muschelschale oder dem Gehäuse der Turbanschnecke – nach oben windet.

konyuKonyū 虎入  Das Zeichen ko bedeutet “Tiger“ und nyu heißt “eintreten“. Konyu 虎入 bedeutet also in den Tiger eindringen. 「一途ニシテ右ヲ顧ミ左ヲ省ミテ思慮ニ渡ズ天道ノ其ノ侭ヲ行フ」 (Indem man mit all seinen Fähigkeiten zur Tat schreitet, nach rechts schaut und seine Meinung ändert, nach links schaut und darüber sinniert, verlässt man sich nicht nur auf seine eigene Besonnenheit, sondern handelt in Übereinstimmung mit den Wünschen der Himmel.)

  Ich denke, dass dies der Weg (oder die Art zu Leben) ist, bei der man aufrichtige Handlungen mit einem von aufrichtiger Hingabe erfüllten Herzen vollführt. Ein Mann, der einen Stein sieht und für einen Tiger hält, schießt mit seinem Bogen darauf, so dass der Pfeil bis zu den Federn in den Stein dringt. Falls jemand daran zweifelt, dass sich ein Pfeil so tief in einem Stein versenken lässt, dann gehört er zu jenen, die nicht dazu in der Lage sind, auf Veränderungen aus allen Richtungen zu reagieren. Man darf nicht versuchen, mit einer solchen Person die Gründe für alles zu erläutern.   In den mündlichen Überlieferungen wird Folgendes gesagt: Einen Pfeil bis zu seinen Federn in einem Stein zu versenken, bedeutet die Augen und Ohren für die Lehre aufzusperren, selbst wenn sei von einem ruchlosen und unehrlichem Menschen kommt. Dies ist wie ein Pfeil, der in einen Stein eindringt. Wenn ein treuer Gefolgsmann sich dazu entscheidet, eine ihm gegebene Aufgabe zu erledigen, wird er es, selbst wenn es extrem schwierig und schmerzhaft wird, ohne Verletzungen zu verursachen schaffen. Es ist, wie wenn man einem Tiger die Faust in den Rachen stopft (eine weitere Lehre der ryu besagt, dass ein Tiger nicht mehr zubeißen kann,wenn man ihm eine Faust in den Rachen stößt). Wenn man jemandem hilft, schreitet man mit all seinen Fähigkeiten zur Tat, schaut nach rechts und ändert seine Meinung, schaut nach links und sinniert darüber, und verlässt sich nicht nur auf seine eigene Besonnenheit, sondern handelt in Übereinstimmung mit den Wünschen der Himmel.

Konyū wo motte chūshin no rei to nasu 虎入ヲ以テ中心ノ霊ト為 Mache Konyu 虎入 zum Geist (rei ) der Ehrlichkeit (chushin 中心).

  Ich glaube, dass mit chushin 中心 die Ehrlichkeit chu gemeint ist. Chu bedeutet, seine Pflichten anderen zuliebe zu erfüllen. Rei ist die Seele (die Energie, die über Geist und Körper herrscht) und stellt die Grundlage dar, auf der Menschen ihr Leben leben. Anders gesagt sollte man nicht vergessen, Konyu in seinem Herzen zu behalten und sein Leben so zu führen, als wäre es der Geist, der im Inneren ruht. Mündlich wird Folgendes überliefert: Man darf nicht vergessen, dass es sich nicht nur auf Konyu bezieht, wenn davon gesprochen wird, dies in seinem Geiste zu behalten. Das gleiche gilt für Seigan. Seigan und Konyu sind eins und die übrigen sieben Techniken müssen in Übereinstimmung mit ihnen ausgeführt werden. Aus diesem Grund verwenden wir den Begriff der “Acht Richtungen“ (hakkyoku 八極) für diese neun Techniken. Das gleiche gilt für die Techniken Empa 圓波 und Ukifune 浮船 der Iai Hakkyoku-hen 居合八極変.

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